Preis und Wert der Energie

mit freundlichem Dank für die Rechte an den Autor Aribert Peters

Der wirtschaftliche Wert der Energie ist zehnmal höher als ihr derzeitiger Preis. Das hat der Physiker Reiner Kümmel zusammen mit den Ökonomen Dietmar Lindenberger und Wolfgang Eichhorn wirtschaftswissenschaftlich untersucht und dargestellt. Er hat die Bedeutung der Energie für die menschliche Entwicklung ebenso klar analysiert wie die Probleme der Zukunft, die sich aus der preislichen Unterbewertung der Energie ergeben. Sein Fazit: Die Besteuerung von Energie und Arbeit muss sich an deren Leistungsvermögen orientieren.
Aribert Peters fasst hier die wesentlichen Thesen aus dem Buch „Energie und Kreativität“, von Reiner Kümmel zusammen. Der Band wendet sich an alle, die von energietechnischen Innovationen einen Beitrag zur Zukunftssicherung erwarten. ISBN 3-8154-3038-0

Interessante Daten zum Thema Energie aus dem Buch von Reiner Kümmel:

Vom Beginn der industriellen Revolution bis 1995 wurden insgesamt etwa ein Drittel der von der Sonne während 200 Millionen Jahren angelegten sicheren Reserven verbrannt.

Auf den Grünflächen der Erde wächst Biomasse mit einem Brennwert, der dem Sechsfachen des derzeitigen Weltbedarfs an Primärenergie entspricht. Doch allenfalls 20 bis 25% des derzeitigen Weltenergiebedarfs lassen sich durch Biomasse decken, weil der Großteil der Biomasse als Nahrung und nicht-energetischer Rohstoff benötigt wird. ...Man könnte in Deutschland acht Prozent und in Europa zehn Prozent des derzeitigen Gesamtbedarfs an Primärenergie wieder durch Biomasse befriedigen. Das setzt allerdings voraus, daß die land- und forstwirtschaftlichen Erträge nicht durch die zu erwartenden Klimaveränderungen beeinträchtigt werden. Dabei muß man mit Gestehungskosten von 100 bis 200 DM pro Tonne trockener Biomasse rechnen. Dem steht in Deutschland ein Einfuhrpreis für die Tonne Steinkohle in Höhe von 70 bis 80 DM gegenüber. ...

Nach der Verabschiedung des Stromeinspeisegesetzes stieg die Windkraftkapazität in Deutschland von 70 MW im Jahr 1990 auf 1.600 MW im Jahr 1996. Hier zeigt sich der entscheidende Einfluß der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf die Nutzung der erneuerbaren Energien.

Zur Deckung des derzeitigen deutschen Bedarfs an Wärme für Raumheizung und Warmwasserbereitung würde man eine Fläche solarthermischer Kollektoren von insgesamt 2.000 km2 und saisonale Wärmespeicher mit einem Wasser-Äquivalentvolumen von insgesamt 14 Mrd. m3 benötigen. Bei stark verbesserter Wärmedämmung ließen sich diese Werte auf 1200 km2 Kollektorfläche und 8 Mrd. m3 reduzieren. Derartig kann im Prinzip der gesamte Bedarf zu 80 - 100% durch solare Wärme gedeckt werden. .. In Deutschland sind etwa 800 km2 Dachfläche für Solarenergienutzung verfügbar. Würde man davon 100 km2 mit PV-Modulen bedecken und so eine Spitzenleistung von zehntausend MW installieren, könnte man damit pro Jahr etwa 10 TWh elektrischer Energie produzieren und knapp 2% des gesamten derzeitigen Strombedarfs decken.

Energie als Produktionsfaktor

Die Sonne, zusammen mit der genetisch programmierten Informationsverarbeitung in den Lebewesen, hat alles hervorgebracht, was auf Erden entstanden ist. Ein extraterrestrischer Beobachter, der seit drei Milliarden Jahren die Entwicklung des Lebens auf der Erde und den Aufbau des „Ökonomischen Produktionsapparats“ verfolgt, kann nur einen von außen in das System eingespeisten, physikalisch messbaren Produktionsfaktor registrieren: Energie. Energie ist der Produktionsfaktor. Ihr Wirken in der industriellen „Ökonomie“ soll im weiteren quantitativ betrachtet werden. 1970, als der Ölpreis sein langjähriges Minimum hatte, lag in der BR Deutschland der Anteil der Energiekosten an der Summe der Produktionskosten bei 3,5 Prozent, und 1981, im Ölpreismaximum, machten die industriellen Energiekosten sieben Prozent der Gesamtkosten aus. Entsprechend gewichten auch die modernen ökonomischen allgemeinen Gleichgewichtsmodelle zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Energie und Umwelt den Beitrag der Energie zur industriellen Wertschöpfung gemäß ihrem geringen Anteil an den Gesamtkosten, während Kapital mit 30 Prozent und die menschliche Arbeit mit mehr als 60 Prozent zu Buche schlagen. Mit dieser Gewichtung der Produktionsfaktoren kann man allerdings die beobachtete Wirtschaftsentwicklung quantitativ nicht beschreiben. Es bleibt ein großer, unerklärter Rest, den man dem „technischen Fortschritt“ zuschreibt.

Prof. Kümmel und seine Kollegen entwickelten nun ein ökonometrisches Modell, das die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, Japan und den USA zwischen 1960 und 1993 mit Hilfe der drei Faktoren Kapital, Arbeit und Energie

erklärt. Die Schlussfolgerungen: „Besonders bemerkenswert ist, dass in allen drei betrachteten Produktionssystemen und Zeiträumen die mittlere Produktionselastizität der Energie, d.h. - grob gesagt - der mittlere prozentuale Zuwachs der Wertschöpfung bei einprozentigem Zuwachs des Energieeinsatzes, deutlich höher ist als die entsprechenden Elastizitäten von Kapital und Arbeit. Mit rund 0,5 ist sie etwa gleich der Summe der beiden anderen Elastizitäten und das Zehnfache des Energieanteils an den Faktorkosten.“ (Hierin drückt sich gleichzeitig aus, wie stark die Wertschöpfung abnimmt, wenn der Energieeinsatz sinkt, d.h. wie äusserst empfindlich eine Volkswirtschaft auf jede Verknappung von Energie reagiert, ap.)

Energie ist auch im Haushalt billig. Für Heizung, Strom und Gas gaben die Deutschen 1993 weniger aus als für Gaststättenbesuche. Die Treibstoffverbrennung in ihren Kraftfahrzeugen kostete die deutschen Privathaushalte nur knapp das Doppelte ihrer Tabakverbrennung. Es zeigt sich also ein Missverhältnis zwischen Leistungsfähigkeit und Preis der Produktionsfaktoren Arbeit und Energie. Arbeit: niedrige Produktionselastizität bei hohem Kostenanteil. Energie: hohe Elastizität bei niedrigem Kostenanteil. Darum werden in den Industrieländern seit langem leistungsschwache, teure Arbeit/Kapital Kombinationen durch leistungsstarke, billige Energie/Kapital Kombinationen ersetzt. Die Nachfrage nach Routinearbeit ist nur deshalb noch nicht völlig zusammengebrochen, weil technisch-ökonomische Beschränkungen das Abrutschen in den Zustand der Vollautomation, d.h. einen Zustand mit minimalem Arbeitseinsatz, verhindern bzw. hinauszögern.

Man kann diesem Trend durch eine Änderung der Preisrelationen entgegenwirken. Überträgt man z. B. des Verfassungsprinzip der „Besteuerung gemäß wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“ von den Individuen auf die Produktionsfaktoren und besteuert weltweit die leistungsstarke Energie hoch und die vergleichsweise leistungsschwache menschliche Routinearbeit niedrig, so bedeutet das folgendes: Staat und soziale Sicherungssysteme würden - bei konstantem Aufkommen an Steuern und Sozialabgaben - ihren Finanzbedarf zu einem großen Teil aus der Besteuerung der Energie und nur zu einem geringen Teil durch Steuern und Abgaben auf Arbeit decken. Dadurch würden die arbeitsintensiven Tätigkeiten auf der Dienstleistungs- und Kommunikationsebene verbilligt, die Marktdurchdringung der Techniken der rationellen Energieverwendung und der nicht-fossilen Energienutzung gefördert und die mit umweltbelastenden Emissionen verbundene Energieverschwendung gebremst.

Eine Schicksalsfrage der Menschheit

Eine Weltgesellschaft, die die Grundbedürfnisse einer auf bis zehn Milliarden Menschen anwachsenden Bevölkerung befriedigen muss, wird immer eine Industriegesellschaft in dem Sinne sein, dass Energie und Energieumwandlungsanlagen die materielle Existenzgrundlage menschenwürdigen Lebens schaffen. Dies trotz der naturgesetzlichen Beschränkung zu sichern, stellt eine in der Geschichte der Menschheit noch nie dagewesene Herausforderung dar, von deren schöpferischer Bewältigung das Schicksal unserer Zivilisation abhängen wird. Arnold Toynbees Prinzip von „Challenge and Response“ in der Entwicklung der Hochkulturen hatte in der Vergangenheit zur Folge, dass eine Zivilisation, die auf eine neue, fundamentale Herausforderung nicht die schöpferische, weiterführende Antwort fand, unterging und eine andere Zivilisation die Entwicklung weitertrug. Inzwischen hat sich die „westliche“ Industriezivilisation über die ganze Erde ausgebreitet. Für den Fall ihres Versagens bei der Bewältigung der Energie- und Umweltprobleme ist keine Alternative in Sicht. ...

Ausschlaggebend für den immer noch zu langsamen technischen Fortschritt in Richtung effizienterer Energieverwendung und der Nutzung der erneuerbaren Energien sind aber die niedrigen Preise der fossilen Energieträger, die keine Anreize für kostenminimierende Investoren bieten, Kapital einzusetzen, um den Energie- und Umweltverbrauch zu verringern.


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