Gutachterliche Stellungnahme zur Anschlussmöglichkeit einer WEA in einem Netz der Stadtwerke Nettetal

Institut für Elektrische Anlagen und Energiewirtschaft
der Rheinisch Westfälischen Technischen Hochschule Aachen
Univ. Prof. Dr. Ing Hans-Jürgen Haubrich

Gutachterliche Stellungnahme zur Anschlussmöglichkeit einer WEA in einem Netz der Stadtwerke Nettetal

1 Fragestellung

Im Rahmen der Clearingstelle "Anschluss von Windkraftanlagen an das öffentliche Stromversorgungsnetz" ist die Frage zu klären, ob eine geplante Windenergieanlage (WEA) der Firma Umwelt Kontor Ingenieurgesellschaft mbH, Hückelhoven in einem 10 kV - Netz der Stadtwerke Nettetal GmbH angeschlossen werden kann. Umstritten sind insbsondere die folgenden Punkte:

Diese Fragen werden im Folgenden durch eine kurze Analyse und eine Netzberechnung des betroffenen Strahls auf Basis der von den Stadtwerken Nettetal gelieferten Daten geliefert

2 Zulässige Spannungsbänder im MS-Netz

WEA weichnen sich durch eine flukturierende, nicht mit der elektrischen Last korrelierte Leistungsabgabe aus. Die hierdurch verursachten Spannungsänderungen im Netz übertragen sich mit den bereits heute vorhandenene, durch Laständerungen verursachten Änderungen und führen so zu einer Vergrößerung der auftretenden Spannungsbänder Die zulässigen Betriebsspannungen werden durch die Anforderungen aus Nieder- und Mittelspannungsnetz bestimmt. Um dies sicher zu stellen, müssen Extremfälle betrachtet werden.

Im ersten Fall ist der Maximal auftretende Spannungsabfall bis zum relevanten Übergabepunkt an den Kunden zu berücksichtigen. Nach hutiger Planungspraxis beträgt dieser Wert 5%, in Einzelfällen nach Lastzuwachs 6%. Dies führt niederspannungsseitig zu einer unteren Grenze der zulässigen Spannung am MS/NS - Transformators von 220 V. Maximal darf hier im zweiten Fall eines Kunden direkt am Transformator auch im Schwachlastfall der Wert 230V + 6% = 244V nicht überschritten werden. Weiterhin muss der zu erwartende Spannungsabfall am MS/NS-Transformator mit ca. 2,5 % im ersten bzw. 0% im zweiten Fall eingerechnet werden. Somit ergibt sch ein zulässiges Spannungsband von

an der oberspannungsseitigen Klemme des Ortsnetztransformators bei einem Überspannungsverhältnis UONT. Es verbleiben somit von den ursprünglich zulässigen 16% Varianz nunmehr 7,5%. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die Spannung an der unterspannungsseitigen Sammelschiene der HS/MS - Station beliebig im Toleranzbereich des Stufenstellers liegen kann. Dieser Bereich ist mit ca. 1,5% deshalb von der zulässigen Varianz von 7,5% im Modell abzuziehen. Somit darf durch Lastflussänderungen im MS - Netz ein maximales Spannungsband von 6% verursacht werden.

(Bild 1)


Bild 1: Maximale Spannungsabfälle im NS- und MS - Netz

Dieses zulässige Spannungsband teilt sich, wie in Bild 2 grundsätzlich skizziert, auf Last und dezentrale Einspeisung aus WEA auf. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die auf die Mittelspannung umgerechneten Grenzen aus den Kundenanforderungen im Niederspannungsnetz an allen Ortsnetztransformatoren in eine der vorhandenen, einmalig fest einzustellenden Stufen passen müssen.

Bild 2: Aufteilung des zulässigen Spannungsbandes auf Last und Erzeugung

Die Aufweitung des Spannungsbandes nach oben durch die dezentrale Einspeisung kann durch den Wirkleistungsfaktor der Einspeisung maßgeblich beeinflusst werden. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, Spannungsanhebungen durch Wirkleistungseinspeisung mittels Spannungsabsenkung durch Blindleistungsentnahme entgegen zu wirken, womit im Einzelfall die Übertragungsfähigkeit des Netzes erheblich gesteigert werden kann.

3 Untersuchung des Ausschlusses der WEA Oirlich

In dem Netzstrahl mit dem vorgegebenen WEA-Anschluss befinden sich bereits zwei dezentrale Erzeugungsanlagen (Ein Deponiegaskraftwerk mit 608 kVA und ein Biogas-BHKW mit 125 kVA) in Betrieb bzw. sind fest geplant. Die Maximallast in dem Strahl beträgt 2,5 MVA, die Minimallast liegt bei 750 kVA. Da nicht alle Lastflussdaten vorlagen, wurde diese Untersuchung auf Basis folgender Annahmen durchgeführt (S. a. Bild A1):

In Bild 3 und Bild 4 sind für alle in Anlage 1 dargestellten Lastknoten die in der jeweiligen Stufenstellung des Ortsnetztransformators zulässigen bereiche abgegrenzt. Da im Schwachlastfall auch ohne Erzeugung im gesamten Strahl die Spannung an allen Knoten über 10,2 KV liegt, ist bei dem durchgänging eingesetzten Ortsnetztransformatotryp 19 kV +/- 4% und einer Basisspannung von UB=10,4 V nur die Verwendung der mittleren Anzapfung (Ü=10/04) zulässig, wenn alle Kunden sicher mit einer Spannung kleiner 230V +6% versorgt werden sollen. Der unterlegte Bereich bezeichnet die auffälligen Spannungsbänder ohne zusätzliche Einspeisung aus dezentralen Erzeugungsanlagen.


Bild 3: Spannungsbänder bei Einspeisung mit (=1) (PWEA = 0,44 MW bzw. PWEA>0,44MW mit Spannungsregelung auf Umax =10,55 KV

Bei Einspeisung nur des Deponiegaskraftwerks mit 486 kW (=1)und des Biogas-BHKW mit 100 KW (=1)ergibt sich eine deutliche Erweiterung der Spannungsbänder nach oben. Die dann auftretende Obergrenze (Bild 3) ist jedoch an allen Knoten noch deutlich von der zulässigen Grenze entfernt, so dass diese Anlagen auch ohne Spannungsregelung problemlos einspeisen können. Die zusätzliche Einspeisung der Windenergieanlagen am vorgesehenene Verknüpfungspunkt 2 ist bei einem [Image]von gleichfalls 1 ohne Spannungsregelung, mit einer Maximalleistung von 440 kW zulässig. Bei Implementierung einer Spannungsregelung, deren deren oberer Grenzwert auf Umax = 10,55 kV einzustellen wäre, kann bei einer größeren Einspeisung ebenfalls die zulässige Spannungshaltung sichergestellt werden. Die maximal installierbare WEA Erzeugungsleistung ergibt sich dann ausschließlich aus der maximalen Übertragungsfähigkeit der schwächsten Leistung zwischen Knoten 2 und 0 (hierfür liegen keine Daten vor, die Übertragungsfähigkeit von 10 kV - Leitungen beträgt in der Regel 3-5 MVA).


Bild 4: Spannungsbänder bei Einspeisung mit =0,9 der WEA und = 0,8 des Deponiegas-KW und des BHKW (PWEA 01,1 MW bzw. PWEA>1,1 MW mit Spannungsregelung audf Umax = 10,6 kV)

Für den Fall, dass die  Kraftwerke mit Blindleistungsentnahme gefahren werden, ergibt sich eine deutliche verbesserte Spannungshaltung. In Bild 4 ist die Situation bei Betrieb des Deponiegaskraftwerkes und des BHKW mit 608 bzw 125 kVA (entsprechend =0,8 cap ) und der WEA mit = 0,9cap dargestellt. In diesem Falle kann ohne Steuerungsregelung eine maximale Erzeugungsleistung der WEA von 1,1 MW bzw 1,2 MVA angeschlossen werden. Bei zusätzlicher Installation einerSpannungsregelung ist wiederum eine Installation bis zur Grenze der Übertragungsfähigkeit der davorliegenden Leitungen möglich.

3 Zusammenfassung

Der Anschluss der geplanten WEA DEWIND 46 ist ohne Spannungsregelung mit einer maximalen Leistung von 440 kW bei Betrieb aller Anlagen mit =1 möglich. Eine Erhöhung bis auf 1,1 MW kann durch Blindleistungsentnahme des Deponiegaskraftwerkes und des BHKW mit = 0,8 cap sowie der WEA mit = 0,9 cap erreicht werden. Eine über diese Leistungen hinausgehende Einspeisung erfordert die Installation einer Spannungregelung. Der obere Grenzwert der Spannungsregelung ist dabei auf maximal 10,55 (= 1) bzw. 10,6 (= 0,8 cap/= 0,9 cap) einzustellen. Die Spannungserhöhung am Verknüpfungspunkt, gegenüber der Situation ohne WEA Einspeisung beträgt 1,2% (= 1) bzw. 1,6% (= 0,8 cap/= 0,9 cap). Falls der obere Grenzwert der Spannungsregelung nicht vom EVU plombierbar ist, muss ein zusätzlichger Spannungssteigerungsschutz mit den genannten Obergrenzen eingesetzt werden. Zweckmäßigerweise sind dann die Grenzen des Spannungsreglers geringfügig unterhalb dieser Werte einzustellen um zu verhindern, dass an Stelle der Spannungsregelung der Lasttrennschalter aktiviert wird.

Aachen, den 24.07.1997

Univ.-Prof. Dr.-Ing. H.-J. Haubrich


Tippfehler vorbehalten
R. Hauertz


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